Mondstrukturen bei günstigen Librationswinkeln

von Wolfgang Bischof (https://magicviews.de/)

Die letzte Marsopposition von 2020 ist vorüber. Venus durchläuft gerade ihre obere Konjunktion und wird erst wieder ab Oktober 2021 in sehr bescheidener Höhe abends über dem Horizont sichtbar sein. Jupiter und Saturn stehen nach wie vor tief in der Ekliptik, lediglich Jupiter quält sich allmählich zu größerer Höhe empor. Insgesamt sind das ungünstige Voraussetzungen für die Planetenbeobachtung und -fotografie, die erst in den kommenden Jahren wieder besser werden.

Trotzdem brauchen die Planetenbeobachter nicht untätig zu sein, denn auch der Mond bietet interessante Beobachtungsmöglichkeiten. Dazu gehört die Erkundung von Mondgegenden, die normalerweise auf der Mondrückseite liegen, wegen der Librationsbewegungen aber hin und wieder am Mondrand sichtbar werden können. So sind ca. 59 % der Mondoberfläche zumindest zeitweise von der Erde aus sichtbar.

Ursachen der Libration des Mondes

Dieser Artikel soll als Leitfaden zur Beobachtungsplanung dienen. Je mehr Beobachter sich an diesem Projekt beteiligen, desto schneller lassen sich aussagekräftige Ergebnisse erzielen! Die Ergebnisse werden im VdS-Journal veröffentlicht.

Weitere Infos dazu von Karl-Heinz Bücke

Der Mond rotiert mit konstanter Geschwindigkeit um seine Achse. Gleichzeitig läuft er auf einer elliptischen Bahn um den gemeinsamen Schwerpunkt des Erde-Mond-Systems. Dabei verändert sich sowohl die Entfernung zur Erde als auch die Bahngeschwindigkeit. Das ist die Hauptursache dafür, dass der Mond, obwohl er wegen seiner gebundenen Rotation der Erde im Mittel stets dieselbe Seite zuwendet, von der Erde geringfügig nach West oder Ost gedreht erscheint, so dass man im Laufe eines Monats ein wenig rechts und links um die Ecke schauen kann. Diese sogenannte Librationsbewegung in Länge beträgt ca. +/- 8°. Ihre Periode entspricht der Zeit zwischen zwei Durchgängen durch das Perigäum, also dem anomalistischen Monat, das sind 27,554 Tage.

Außerdem gibt es eine Libration in Breite, die durch die Neigung der Mondbahn und die Neigung des Mondäquators gegen die Bahn hervorgerufen wird. Man schaut also im monatlichen Wechsel mal etwas mehr auf den Nord- und mal etwas mehr auf den Südpol. Die gesamte Librationsbewegung in Breite beträgt ca. +/- 6°. Die Periode der Libration in Breite entspricht der Zeit zwischen zwei Durchgängen des Mondes durch den aufsteigenden Knoten seiner Bahn um die Erde, also dem drakonitischen Monat, das sind 27,212 Tage.

Als zusätzlicher Effekt kommt die Parallaxe des Beobachters auf der Erdoberfläche hinzu, die bis zu 1° ausmachen kann. An einem Standort in Deutschland auf 50° nördlicher Breite ist deshalb die Blickrichtung auf den Mondnordpol etwas günstiger als auf den Südpol.

Alle Librationsbewegungen zusammen können sich auf etwas mehr als 10° addieren.

Sichtbarkeitsbedingungen auf die Librationsgebiete

Zur Veranschaulichung dient folgende Abbildung:

Grafische Darstellung der Libration des Mondes bis Juni 2022

Man erkennt, dass die Librationsperiode in Breite (blaue Kurve) geringfügig (um 0,342 Tage) kürzer ist als in Länge (rote Kurve), so dass sich die Kurven allmählich gegeneinander verschieben. Im Sommer 2021 laufen sie fast synchron. Eine maximale Südlibration fällt mit einer maximalen Westlibration zusammen, wodurch sich besonders günstige Sichtbarkeitsbedingungen am Südwestrand und am Nordostrand des Mondes ergeben. Allerdings muss zur Beobachtung der jeweilige Mondrand auch beleuchtet sein. Ab September 2021 ist dies bei zunehmendem Mond für den Nordostrand und bei abnehmendem Mond für den Südwestrand gegeben. Genaue Librationswerte und die Mondphasen erhält man aus einerTabelle, die hier als Download zur Verfügung steht. Die Librationsgrafik und die Tabelle sind durch Auswertung der im Planetariumsprogramm Guide 9 enthaltenen tabellarischen Monddaten entstanden.

Die Verschiebung der Maxima der Librationskurven wird dafür sorgen, dass es im Jahr 2023 vorübergehend keine extremen Librationswinkel von über 9° mehr geben wird, dafür aber eine gleichmäßige Libration von ca. 8°, die im Laufe eines Monats um den gesamten Mondrand herumläuft. Ab 2024 folgt wieder eine Periode mit extremeren Librationswinkeln, dann jedoch für die NW- und SO-Seite des Mondes.

Auswertung der Librationsaufnahmen

Am Mondrand und in den Librationsgebieten blickt man sehr flach auf die Mondlandschaften, die daduch extrem verkürzt erscheinen. Es gibt jedoch mit dem Freeware-Programm WinJUPOS von Grischa Hahn eine einfache Möglichkeit, diese Gebiete zu entzerren und als äquatoriale Plattkarte oder auch als Polarprojektion darzustellen. Dadurch wird die Identifikation einzelner Krater sehr erleichtert. Auf die Dauer kann man sogar eine vollständige Karte aller umlaufenden Librationsgebiete erstellen, indem man viele Aufnahmeauswertungen überlagert. Wichtig ist dabei eine exakte Einmessung der einzelnen Aufnahmen anhand genauer Koordinaten einzelner Mondobjekte. Diese erhält man z.B. mit Hilfe des Mondatlas von Antonin Rükl. Zum Einmessen genügen die Koordinaten zweier Punkte und das genaue Aufnahmedatum.

Als Beispiel diene eine Aufnahme des Mondsüdpols vom 26.2.2021 bei günstiger Südlibration:

Aufnahme der Südpolregion des Mondes, Details im Text. Foto: Wolfgang Bischof

Man erkennt die einzelnen Berge am Mondrand ähnlich wie bei einer Aufnahme von der Mondoberfläche aus. Die folgende Abbildung zeigt die daraus mit WinJuPos errechnete Polarprojektion mit eingeblendeten Mondkoordinatenlinien. Hier ist sogar die genaue Position des Südpols am Rande des Kraters Shackleton zu erkennen. Die Identifikation dieser Stelle wäre auf der Originalaufnahme sehr schwierig.

Südpolregion des Mondes in Polarprojektion, Details im Text. Foto: Wolfgang Bischof

Die Aufnahme wurde mit einer ASI 178MM an einem 200-mm-Newtonteleskop bei einer Effektivbrennweite von 2,5 m gewonnen.