VdS-Medaille 2005: Joachim Herrmann

Otto Guthier (links) vom VdS-Vorstand überreicht Joachim Herrmann die Urkunde und die VdS-Medaille 2005.

Die Medaille wurde auf der VdS-Mitgliederversammlung 2005 in Recklinghausen verliehen. Hier die Laudatio, gehalten von Wolfgang Steinicke:

Beim Film bekommt man – in besonderen Fällen – einen „Oscar“ oder „Golden Globe“ für sein Lebenswerk. Hier bei uns heißt das schlicht „VdS-Medaille“. Das Lebenswerk von Joachim Herrmann ist eng mit der Astronomie, der Volkssternwarte Recklinghausen und insbesondere mit der VdS verbunden. Es hat auch bei mir persönlich Spuren hinterlassen. Im Juni 1967 hielt Joachim Herrmann drei Vorträge in meiner Heimatstadt Erkelenz mit einem anschließenden Besuch der Recklinghauser Volkssternwarte. Diese Vorträge und insbesondere der Blick auf Saturn durch das 28 cm-Spiegelteleskop haben mich, damals 15 Jahre alt und stolzer Besitzer eines 4“-Newton, nachhaltig beeindruckt – und meine Leidenschaft für die Astronomie entscheidend geprägt. Gleiches gilt für seine zahlreichen Bücher und Aufsätze. Joachim Herrmann wurde am 19. April 1931 in Tübingen, als Sohn eines bekannten Musikprofessors, geboren – ein waschechter Schwabe also. Seine erste astronomische Heimat war Reutlingen, um 1952 nur mit einer bescheidenen Beobachtungsstation ausgerüstet. Trotzdem gelang es Joachim Herrmann vom 21.3. bis 8.4.1952 in einer astronomischen Woche unter dem Motto „Du und das Weltall“ 4000 Besucher nach Reutlingen zu locken – davon kann man heute nur träumen! Am 27. Dezember 1952 trat er in die gerade gegründete VdS ein: Mitgliedsnummer 59, also echtes „VdS-Urgestein“. Sein Einsatz für die Reutlinger Astronomie wurde mit der Einweihung der neuen Volkssternwarte am 22. Januar 1956 belohnt. Hauptinstrument war ein 15 cm Merz-Refraktor. Herrmann gründete nicht nur die Reutlinger Sternwarte, er machte auch aus dem „Reutlinger Sternenbote“ eine anerkannte amateurastronomische Publikation. Sie war ein Vorläufer der VdS-Nachrichten. Eine der ersten Amtshandlungen als ehrenamtlicher „Chefastronom“ in Reutlingen war die Organisation einer großen Tagung der volkstümlichen Astronomie. In dieser Zeit absolvierte Joachim Herrmann auch sein Studium der Astronomie, Physik und Mathematik in Heidelberg und München. Als Astronom war es nach dem Krieg schwierig, in Deutschland eine gut dotierte Stelle zu finden (Wie sich die Zeiten gleichen.). Herrmann hatte Glück, denn an der Berliner Wilhem-Foerster-Sternwarte war 1957 der Posten des wissenschaftlichen Leiters neu zu besetzen – als Nachfolger von Edgar Mädlow. Die Sternwarte war zu dieser Zeit noch in der Papestraße und verfügte über einen 7“-Refraktor. Herrmann, mittlerweile 26 Jahre alt, bekam den Zuschlag und wechselte von Reutlingen nach Berlin. Das Gehalt war bescheiden, es gelang ihm aber durch das Schreiben von Büchern seine finanzielle Situation zu verbessern. In jeder freien Minute durchstöberte er die Berliner Bibliotheken. Sein verständlicher Schreibstil, in Kombination mit solidem astronomischem Wissen, machte ihn zum erfolgreichen Buchautor – ein würdiger Nachfolger von Bürgel und Henseling. So entstanden „Astronomie – eine moderne Sternkunde“ (1960), das „Tabellenbuch für Sternfreunde“ (1961) und „Das falsche Weltbild – Astronomie und Aberglaube“ (1962). Das Tabellenbuch war für mich eine wahre Fundgrube und gab meiner Begeisterung für astronomischen Daten und Kataloge den entscheidenden Schub. Die Berliner Schulbehörde – als Träger der Sternwarte – war allerdings von der zeitaufwändigen Nebentätigkeit Herrmanns nicht so begeistert, denn für sie sollte der Schuldienst, sprich Astronomieunterricht, im Vordergrund stehen. Es gab immer wieder Probleme und Joachim Herrmann verließ schließlich 1962 Berlin. Vielleicht hat er sich auch als „Schwabe in Preussen“ – und insbesondere im speziellen „Berliner Milieu“ – nicht so recht wohl gefühlt. Nachfolger wurde Adolph Kunert in der neuen Sternwarte auf dem Insulaner. Joachim Herrmann gehörte von Anfang an zur „kritischen Masse“ der Ende 1952 gegründeten VdS, die aus dem „Bund der Sternfreude“ (BDS) und der „Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik“ (VAP) hervorgegangenen war. Im Herbst 1957 übernahm er von Mädlow die Redaktion der VdS-Nachrichten.
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Im Gegensatz zu Mädlow, der ein reines Vereinsnachrichtenblatt wollte, hatte Herrmann eine astronomische Zeitschrift im Visier. Er leitete die Redaktion über 10 Jahre. Unzählige Beiträge über alle Themen der Astronomie tragen seinen Namen. 1967 übernahm dann wiederum Mädlow gemeinsam mit Harro Zimmer die VdS-Nachrichten. Joachim Herrmanns Engagement für die volkstümliche Astronomie war enorm, wie z.B. aus seinem Beitrag „Astronomie und Volksbildung“ anlässlich der VdS-Tagung in Coburg 1961 deutlich wird. Auch im Privaten fand die Astronomie ihren Niederschlag: So taufte er seinen Sohn auf den Namen „Tycho“. Als dieser mit dem Sprechen begann, bemerkte Herrmann (überliefert von Mädlow und hier ohne den erforderlichen schwäbischen Akzent wiedergegeben): „Tychlein schwätzelt“. 1962 wurde die Stelle als Leiter der Recklinghauser Volkssternwarte ausgeschrieben – die Chance für Herrmann, Berlin verlassen zu können. Deren Gründer Vinzenz Dahlkamp, der 1. Vorsitzende der VdS, war 1958 gestorben und Heinrich Kantus war als kommissarischer Leiter eingesetzt. Es gab allerdings einen Berliner Mitbewerber: Adolph Kunert. Herrmann war katholisch und bekam die Stelle. Ab dem 1. Juni 1962 war nun Recklinghausen für die nächsten 34 Jahre das Zentrum seines astronomischen Schaffens. Nicht zuletzt durch die Errichtung des Planetariums 1966 gelang ihm der Ausbau der Volkssternwarte zu einem führenden Institut der Erwachsenenbildung. Konkurrenz gab es im nahen Bochum, in Gestalt von Heinz Kaminski – aber das ist eine andere Geschichte. Joachim Herrmann schrieb in seiner Recklinghauser Zeit über 20 populärwissen-schaftliche Bücher, die meisten erschienen im Kosmos-Verlag. Darunter hübsche Sachen wie „Sternfreunde fragen“ (1966), ein Büchlein, das ich sehr anregend fand. 1995 editierte er die Jubiläumsausgabe des Klassikers „Welcher Stern ist das?“. Bekannt sind auch sein „DTV-Atlas der Astronomie“ (1973), „Der Amateurastronom“ (1976) oder „Das große Lexikon der Astronomie“ (1980). Das Recklinghauser Vortragsprogramm war weithin bekannt und an hochkarätigen Referenten, mit denen Joachim Herrmann meist persönlich verbunden war, bestand kein Mangel. Er organisierte auch viele Tagungen, so die erste Recklinghauser Sternfreunde-Tagung im Herbst 1964 (zum 10jährigen Bestehen der Sternwarte) und insbesondere die 12. VdS-Tagung vom 2. bis 4. Oktober 1975 – ein Grund, warum die VdS nach 30 Jahren an diesen Ort zurück gekommen ist. Preise für sein großartiges Wirken blieben nicht aus. 1986 bekam Herrmann den Bruno-H.-Bürgel-Preis der Astronomischen Gesellschaft „für hervorragende populäre Darstellungen astronomischer Forschungsergebnisse“. 1995 erhielt er den Vestischen Preis in Würdigung seiner Verdienste um die astronomische Volksbildung. Vor 9 Jahren, im April 1996, ging Joachim Herrmann in den verdienten Ruhestand. Nicht nur die Recklinghauser Sternfreunde sondern die gesamte Gilde der Amateur- und Fachastronomen – und ganz besonders die VdS – hat ihm für sein engagiertes und überaus erfolgreiches Wirken zur Popularisierung der Astronomie zu danken. Daher verleihen wir, die Vereinigung der Sternfreunde, Joachim Herrmann heute – für sein Lebenswerk – unseren bescheidenen „Oscar“: die VdS-Medaille 2005! Und schließlich ganz persönlich: Herzlichen Glückwunsch an einen Mann, dem ich auf meinem astronomischen Weg einiges zu verdanken habe!