36. Würzburger Frühjahrstagung – erneuerte Tradition
Die Frühjahrstagung in Würzburg ist wieder im Jahreszyklus verankert und „am Beginn einer Tradition“, wie es der Direktor des gastgebenden Friedrich-Koenig-Gymnasiums, Dr. Siegfried Rose in seinen Grußworten an das Auditorium der 36. Würzburger Frühjahrstagung in der Rolle des „Hausherren“ treffend bemerkte. Nachdem die Frühjahrstagung im vergangenen Jahr von der VdS in Partnerschaft mit dem Naturwissenschaftlichen Labor für Schüler am Friedrich-Koenig-Gymnasium wieder erfolgreich neu gestartet werden konnte, waren bei der Fortsetzung in diesem Jahr die 85 Teilnehmer und ein vielseitiges wie interessantes Vortragsprogramm ein klares Signal, dass die Anknüpfung gelungen ist und die Tradition hier Zukunft hat.
Der VdS-Vorsitzende Otto Guthier eröffnete das Programm und übergab das Wort an Prof. Dr. Matthias Kadler von der Universität Würzburg, der in seinem Fachvortrag die „Multiwellenlängen-Beobachtung aktiver Galaxien“ behandelte.
Prof. Kadler ging zunächst auf die verschiedenen Bereiche des Spektrums elektromagnetischer Strahlung ein und konnte am Beispiel der Radioastronomie anschaulich den Zusammenhang zwischen Durchmesser der Antenne, Wellenlänge der Beobachtung und der erzielbaren Auflösung herleiten. Die Möglichkeiten durch die Beobachtung bei verschiedenen Wellenlängen quasi in Objekte herein zu zoomen, die allein in einem Wellenlängenbereich ihre Geheimnisse nicht so recht lüften wollen, konnte er anhand verschiedener Beispiele treffend demonstrieren. Durch die Verwendung sehr großer Basislängen bei Antennen-Arrays können Auflösungen erzielt werden, die selbst optische Großteleskope überflügeln und zugleich optisch undurchlässige Nebel durchdringen. Durch die Informationen aus den verschiedenen Bereichen des Spektrums zu ein und demselben Objekt lassen sich die separaten Beobachtungen zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Mit Hilfe der Multiwellenlängen-Beobachtung untersucht Prof. Kadler mit seinem Team aktive Galaxien, die sich durch Phänomene auszeichnen, die nicht durch Sterne erklärt werden können. Insbesondere Jets senkrecht zur Akkretionsscheibe im Umfeld massiver schwarzer Löcher stehen dabei im Mittelpunkt. Millionen von Lichtjahren entfernt lassen sich hier innerhalb weniger Monate gravierende Veränderungen beobachten. Centaurus A wurde als Paradeobjekt im Rahmen der Vortrags wiederholt als Beispiel herangezogen. Ein Problem ist auch in diesem Bereich der Astronomie die verfügbare Beobachtungszeit an den verschiedenen Instrumenten, eine Brücke zum folgenden Vortrag über die Arbeit des Naturwissenschaftlichen Labor für Schüler am Friedrich-Koenig-Gymnasium, denn genau an diesem Punkt werden die Schüler mit möglichst regelmäßigen Messungen die Wissenschaftler unterstützen.
Dr. Uwe Pilz aus Leipzig, zugleich Leiter der VdS-Fachgruppe Kometen, ging in seinem Vortrag über die Beobachtungen kontrastschwacher Objekte auf ein immer wieder viel diskutiertes Thema ein: Wie objektiv kann ein Beobachter mit seinem Auge schwache Kontraste an Objekten noch wahrnehmen? Zunächst unterschied er zwei Fälle: Zum Einen kontrastschwache und zugleich lichtschwache Objekte wie etwa Nebel und zum Anderen kontrastschwache aber helle Objekte, etwa die Struktur auf Planetenscheiben. Im Bereich lichtschwacher Objekte stellte er in seinem Vortrag die systematische Untersuchungen aus den 1940er-Jahren von Blackwell vor, die zum Schluss kommen, dass für die Erkennung von Objekten eine optimale Winkelausdehnung gibt, die eingesetzte Vergrößerung also auf das jeweilige Objekt abzustimmen ist. Optimal für das menschliche Auge ist demnach eine scheinbare Größe des Objekts zwischen 0,1° und 1°. Auch bei hellen Objekten konnte er auf systematische Untersuchungsergebnisse verweisen und die Erkenntnisse an Beispielbildern präsentieren. Der Mensch neigt von Natur aus, angedeutete Strukturen zu komplettieren, das Gehirn arbeitet dabei mit Wahrscheinlichkeiten. Was unseren Vorfahren noch das Überleben sicherte, schlägt dem astronomischen Beobachter durch das Erkennen von Scheinstrukturen manches Mal ein Schnippchen. Uwe Pilz machte klar, dass man einfach damit rechnen müsse, dass man etwas wahrnimmt, was als Struktur nicht existiert und man dies schlicht bis zu einem gewissen Maß akzeptieren muss.
Matthias Busch und Rainer Kresken von der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim haben sich bereits seit geraumer Zeit als Asteroidenjäger einen Namen gemacht. Bei Ihrem Vortrag stellten sie die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern der ESA bei der „Asteroidenjagd auf Teneriffa“ vor (Teide Observatory Tenerife Asteroid Survey). Dabei steht die systematische Durchmusterung des Himmels nach Asteroiden im Mittelpunkt, besonders Objekte, die der Erde auf ihrer Bahn gefährlich nahe kommen können, so genannte NEOs (Near Earth Objects). Genutzt wird dafür ein 1-m-Spiegel in der Optical Ground Station (OGS) des Teide Observatoriums auf 2.400 m Meereshöhe. Matthias Busch, bekannt auch als Autor des Planetariumsprogrammes Easy Sky, hatte für die Durchmusterungen eine ursprünglich für den Einsatz in Heppenheim konzipiertes Steuer- und Auswerteprogramm angepasst und demonstrierte dessen umfangreiche Funktionen. Eingeteilt in sich leicht überlappende Gebiete am Himmel steuert die Software die Kamera mitsamt Teleskop über den Himmel, nimmt zeitversetzt mehrere Bilder der gleichen Region auf, sucht in den Bildern nach „Movers“, also sich im Vergleich bewegenden Objekten und legt in einer Datenbank potenzielle Neuentdeckungen ab. Dem Team der freiwilligen Auswerter wird ein Ausschnitt mit den bewegten Objekten als Blinkbilder zur Bewertung zugänglich gemacht, auch die Gesamtaufnahmen können geblinkt werden. Mit dieser beeindruckenden softwaregestützten systematischen Vorgehensweisen werden die Unmengen von Bilddaten auf das Wesentliche reduziert. Lohn sind die zwischenzeitlich mehr als 300 potenzielle Neuentdeckungen von Asteroiden, darunter zwei bereits bestätigte NEOs. Eine beeindruckende Zusammenarbeit von Amateuren mit Profi-Astronomen, bei dem eine Menge Know-How seitens der Amateure in das Projekt eingebracht wird. Die Aufnahmen sind im Internet zugänglich über die Website des Projekts , http://vmo.estec.esa.int/totas.
Vor der Mittagspause wurde die Zusammenarbeit der Universität Würzburg mit dem Naturwissenschaftlichen Labor für Schüler am Friedrich-Koenig-Gymnasium vorgestellt. „Helligkeitsschwankungen aktiver Galaxienkerne – Ein Forschungsprojekt zwischen Wissenschaft und Schule“ lautete das Thema von Dominik Elsässer und Martin Feige. Dominik Elsässer betreut seitens der Universität das Projekt-Team um den Pädagogen Martin Feige. Aktive Galaxienkerne sollen dabei möglichst häufig im Hinblick auf ihre Helligkeit im sichtbaren Licht vermessen werden. Ziel ist es aus den Beobachtungsreihen die Massen und Abstände binärer Schwarzer Löcher zu bestimmen. Weil das keine Aufgabe ist, die man mit kleinem Instrument erledigen kann, wurde gerade in der etwas außerhalb von Würzburg gelegenen Sternwarte der Schule ein seitens der Wissenschaft finanzierter 20" CDK Plane Wave Astrograph auf einer GM 4000CQI-Montierung in der Kuppel installiert, der in Kürze sein First Light erleben soll. In der Mittagspause der Würzburger Frühjahrstagung hatten interessierte Besucher die Gelegenheit, Sternwarte und Instrument selbst in Augenschein zu nehmen.
In die Ferne des nordamerikanischen Kontinents schweifte Gerd Köllner mit seinem Vortrag über die San Diego Astronomy Association (www.sdaa.org). Über Bekannte kam er in Kontakt mit dieser Organisation und ist seit 5 Jahren dort Mitglied. Der Referent stellte die Aktivitäten der Organisation dar, die von der Breitenbildung über beeindruckende Selbstbauprojekte und Foren bis zur Diskussion komplexer Fachthemen reichen. Beeindruckend waren unter anderem die Bilder der „Tierra del Sol“, einem vom Verein unterhaltenen weitläufigen Beobachtungsgelände abseits störender Lichtquellen unweit der amerikanisch/mexikanischen Grenze auf 1.200 Meereshöhe, etwas über eine Autostunde der Westküstenmetropole San Diego entfernt. Neben großzügigen Parkmöglichkeiten und Observatorien mit abfahrbarem Dach stehen den Mitgliedern gegen moderate Gebühr auch 50 sogenannte „Private Pads“ als Aufstellort für Beobachtungsinstrumente bereit. Als Infrastruktur stellt der Verein an Pads und Observatorien unter anderem inmitten der Berge Strom und eine schnelle Internetverbindung bereit.
Der Fotografie des Mondes hat sich Rolf Hempel verschrieben und erläuterte seine Prozessschritte von der Aufnahme bis zum fertigen Panorama. Er ist bestrebt, großformatige Mondpanoramen zu erzielen, deren Auflösung die theoretisch mögliche Auflösung seines 130-mm-Refraktors erreichen und die zugleich ästhetischen Ansprüchen Rechnung tragen. Zunächst ging er in seinem Vortrag auf die Frage ein, welche Vorteile eine DSLR-Kamera gegenüber den bei Mondaufnahmen sonst meist verwendeten Videomodulen ein. Unter anderem die Limitierung auf 8-Bit vieler Videomodule hatten seine Entscheidung zugunsten der DSLR-Technik greifen lassen. Um die maximale Auflösung zu erzielen, ist die zum Instrument passende Brennweite zu berücksichtigen, die Belichtungszeit zu begrenzen und statt der Belichtungszeit eher die ISO-Zahl bei den Aufnahmen anzupassen. Wie bei Videoaufnahmen werden bei der Verarbeitung zur Rauschunterdrückung dann viele einzelne Aufnahmen überlagert. Bei den RAW-Daten der von ihm eingesetzten Vollformatkamera führen viele daten- und rechenintensive Schritte von Mosaikaufnahmen über die Summenbilder zum ästhetisch ansprechenden gesamten Mondpanorama. Was auf der Beamerleinwand in der Gesamtansicht des Mondes schon eine Ahnung von der Qualität der Bilder gab wurde zur Gewissheit, als Rolf Hempel in Ausschnitte aus den zuvor gezeigten Gesamtbildern zoomte. Spontaner Applaus aus dem Auditorium zollte dem enormen Detailreichtum, der sich dem Betrachter offenbarte und den Aufwand der Aufnahmen rechtfertigt.
Jens Hackmann beschäftigte sich in seinem Beitrag mit der „Astrofotografie mit der digitalen Spiegelreflexkamera“. Der Vortrag beleuchtete die verschiedenen Aspekte der DSLR als Gerätegattung und stellte diese vor allem in einen praktischen Vergleich zur Aufnahme mit speziellen CCD-Kameras für die Astronomie. Kenntnisreich konnte der Referent Unterschiede herausarbeiten und kam zum Schluss, dass die CCD-Kameras den DSLR-Kameras zwar technisch überlegen seien, der höhere Aufwand und die Kosten der CCDs und die Vielseitigkeit der DSLR aber seine persönliche Entscheidung zugunsten der DSLR-Technik maßgeblich beeinflusst haben. Den Abschluss seines Vortrages bildete dann die Praxis. Mit DSLR-Kameras an verschiedenen Fernrohren und Objektiven gewonnene Astrofotos und auch Landschaftsbilder mit astronomischen Bezug setzten einen nachhaltigen optischen Akzent.
Auswertung von Bewegungen einzelner Objekte in den Atmosphären von Jupiter und Saturn stellte Dr. Werner E. Celnik vor. Ursprünglicher Impulsgeber für die Arbeit war der große Sturm auf Saturn, der im Dezember 2010 erstmals beobachtet wurde. Die Fragestellung bei der Betrachtung eigener Aufnahmen, ob es möglich sei die Driftgeschwindigkeit des Sturms relativ zur Rotation des Saturnsystems zu messen, führte schließlich zu einem Aufruf an andere Sternfreunde, Aufnahmen zur Auswertung beizusteuern. Die daraus gewonnenen Ergebnisse stimmen mit Forschungsergebnissen von Planetenforschern in sehr guter Weise überein. Das Vorhaben findet in jüngster Zeit nun seine Fortsetzung durch die Vermessung von einzelnen Objekten in der Jupiteratmosphäre aufgrund der Aufnahmen um die letzte Opposition des Gasriesen. Neben dem Großen Roten Fleck steht dabei auch ein weiterer auffälliger Fleck, der den Großen Roten Fleck von Zeit zu Zeit überholt, im Blickpunkt der Untersuchung. Nachdem die Bilder einheitlich skaliert und deren genauer Beobachtungszeitpunkt ermittelt ist, konnten mit Hilfe des Freeware-Programms WinJUPOS, die Positionen der Objektkanten in Längen- und Breitengrad ermittelt werden. Über die Aufnahmen zu verschiedenen Zeitpunkten hinweg lässt sich unter Berücksichtigung der Rotation der Umgebung daraus die Bewegung der Objekte bestimmen. Neben der Drift der Flecken relativ zum jeweiligen Wolkensystem ergibt sich die Möglichkeit für weitere Auswertungen, aus denen sich etwa auch Größenveränderungen ablesen lassen.
Beschlossen wurde die Würzburger Tagung 2012 mit dem Videovortrag von Erich Meyer. Der Referent, der schon einige Male zum Thema Kleinplaneten auf der Würzburger Frühjahrstagung referiert hatte, wechselte quasi das Metier und nutzt setzt DSLR-Aufnahmen in Zeitrafferfilme um, dabei fängt er Landschaften und die Bewegung astronomischer Objekte am Taghimmel, vor allem aber am Nachthimmel ein. Beeindruckend in jedem Fall auch die vor jedem einzelnen Film gegebenen Hintergrundinformationen zu den technischen Hintergründen. Stunden um Stunden investierte Arbeit mit Variationen von Blende und Belichtungszeit und tausende Einzelbildern liefen vor dem beeindruckten Auditorium innerhalb weniger Minuten als Film ab. Immer wieder gab es Neues zu entdecken. Die Zeitrafferaufnahmen wurden geschmackvoll von Musik untermalt und bildeten einen stimmigen Abschluss der diesjährigen Vortragsreihe.
Am Ende des Tages dankte der VdS-Vorsitzende Otto Guthier den Referenten und Besuchern. Besonders hob er die hervorragende Unterstützung vor Ort durch das Team des Naturwissenschaftlichen Labor hervor. Von den Räumlichkeiten über die Technik bis zur liebevollen Bewirtung stimmte einfach alles und immer war ein guter Geist zur Stelle, wenn sich Fragen ergaben. Einen solchen Veranstaltungsrahmen kann man sich nur wünschen. Das langjährige VdS-Mitglied Ernst-Jochen Beneke machte die Versammlung noch darauf aufmerksam, dass es das 40. Jahr in Würzburg sei, denn im Jahr 1972 fand die erste Würzburger Frühjahrstagung statt. Mit einem gemütlichen Beisammensein klang die Würzburger Frühjahrstagung 2012 dann in lockerer Atmosphäre aus.