Starke Bochumer Herbsttagung, zufriedene Besucher

29. Dezember 2013 - VdS
Mit gut 150 Teilnehmern stieß das Programm der Bochumer Herbsttagung der Amateurastronomen auch bei der 32. Ausgabe am 16. November auf große Resonanz. Zurecht, wie der Verlauf des umfangreichen Tagesprogrammes zeigte, denn die Vorträge reichten von ästhetisch schönen Bildergebnissen über fundierte Auswertungen bis zu theoretischen Modellen. Ein eindrucksvolles Niveau, oftmals Resultat gründlicher Vorbereitung und Vorüberlegungen.
Opener der BoHeTa war in diesem Jahr Dr. Tom Fliege, der einmal den Bereich der Vermittlung astronomischen Wissens beleuchtete. Als Referent zahlreicher VHS-Kurse im Ruhrgebiet berichtete er von seinen Erfahrungen mit Einsteigern und teilte dabei die Interessenten in verschiedene Gruppen ein. Sein prägnantes Fazit: Wenn kein Grunddinteresse da ist, dann ist es schwierig, Wissen über Astronomie zu vermitteln. Potenzial für „Ah“ und „Oh“ bietet das Thema für die wirklich Interessierten dagegen immer reichlich.
Harrie Rutten war aus den Niederlanden angereist und jagte Gespenster in Astrobildern, genauer Geisterbilder, die durch unerwünschte Reflexionen und Brechungen etwa an Korrektoren und Filtern im Strahlengang entstehen. Diese sind faktisch in jedem Bild zu finden, nur sind sie meist schwach genug, um nicht ins Gewicht zu fallen. Neben anschaulichen Beispielbildern und Erläuterungen anhand von Strahlengangsmodellen wies der Referent auch auf die Ursache des Anstiegs der Zahl dieser Artefakte in Astrofotos der jüngeren Vergangenheit hin: Immer tiefere Belichtungen mit sehr emfindlichen Kameras und die spiegelnden Flächen der CCD-Sensoren im Gegensatz zu den diffus reflektierenden Filmemulsionen der Vergangenheit verstärken die Ursachen entscheidende Beiträge.
Bernd Gährken stellte in seinem Vortrag dar, wie sich mit schmalbandigen Filtern zur Begrenzung auf das Methanband (880 nm) im Bereich des infraroten Lichts Strukturen beobachten lassen, die im sichtbaren Licht nur schwer oder nicht erkennbar sind. Diese Linie wird normalerweise durch die bei RGB-Aufnahmen eingesetzten Infrarot-Sperrfilter ausgeblendet, die Chips der Kameras sind in diesem Bereich üblicherweise noch emfindlich. Mit Kameras und Filtern an diesem spektralem Randbereichen, gelangen Gährken insbesondere an den Gasriesen unseres Sonnensystems aufsehenerregende Nachweise. Die Atmosphäre dieser Planeten enthält weit mehr Anteile an Methan als etwas die Erde. Dieses Methan konzentriert sich dabei in der Hochatmosphäre. Durch die Absorption im Methanband durch die Methanvorkommen und die bekannte Höhenschichtung, kann man nun aus Aufnahmen entsprechende Rückschlüsse ziehen. So konnte Bernd Gährken schlüssig anhand von Aufnahmen demonstieren, dass das bei Jupiter im sichtbaren Licht zwischenzeitlich „verschwundene“ Südliche Äquatorialband (SEB) vermutlich nur durch hohe Eiswolken bedeckt war. Auch Mondurchgänge vor der Saturnscheibe und die Uranusringe waren mit hohem Aufwand und bei den Ringen unter Nutzung des Oppositionseffektes in Kombination mit dem 80-cm-Cassegrain-Spiegelteleskop der Volkssternwarte München nachweisbar.
Der Saturn und sein Ringsystem war Ausgangspunkt für die Überlegungen von Dr. Aloys Eiling. Bei der Entstehung des Saturn stand die Harmonie scheinbar Pate, denn die Bahnen der Monde und die Ringe liegen in der Ebene des Planetenäquators , die Ringe bilden einen Kreis und keine Ellipse. Wäre die Entstehung des Sonnensystems ungestört nach der gängigen Theorie verlaufen, stellt sich die Frage, warum es dann Abweichungen in der Bahnneigung und verschieden starke elliptische Verformungen der Umlaufbahnen der Planeten gibt. Er stellte die Hypothese auf, dass diese Abweichungen nachträglich durch die Passage eines Störers durch das Sonnensystem enstanden sein könnten. Aus einem idealen Modell versuchte er durch Simulationen einem Störer auf die Spur zu kommen, der einen Zustand verursachen würde, der so nah als möglich an den heute zu beobachtetenden tatsächlichen Zustand herankommt. Er fand in seinen Modellen tatsächlich eine Lösung, dass ein Körper mit der Masse eines braunen Zwerges, der innerhalb der Venusbahn unser Planetensystem gekreuzt hätte, ein solcher Störer gewesen sein könnte.
Bildstark stellte Michael Kunze seine Reise zur Sonnenfinsternis in Australien im November 2012 in Szene. Angereichert mit einer Fülle von Hintergrunddetails zog er das Auditorium mit hinein in beeindruckende Landschaftsaufnahmen und dokumentierte als Hauptereignis natürlich auch die eigentliche Finsternis. Ursprünglich habe er einmal daran gedacht nur zu beobachten und mit dem Gedanken gespielt, gar keine Kameras bei der Finsternis einzusetzen. Man mag ihm das Verwerfen dieser Überlegungen angesichts diverser Perspektiven der Finsternis mit unterschiedlichen Brennweiten, Videoanimationen des Finsternisverlaufs und musikuntermalter Sequenzen von Finsternis und Nächten unter südlichen Gestirnen nur allzu gerne nachsehen.
Das 25-m-Radioteleskop auf dem Stockert bei Bad Münstereifel hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Vom Happy End wusste Dr. Wolfgang Herrmann vom Förderverein Astropeiler Stockert e. V. zu berichten, denn die NRW-Stiftung hat mit dem Kauf und der Renovierung der Anlage den entscheidenden Grundstein gelegt, dass das 25-m-Radioteleskop sowie eine weitere Antenne von 10 m Durchmessern heute mit neuer Empfangstechnik wieder in Betrieb sind. Eine der größten Anlagen der Radioastronomie in der Hand von Amateuren. Langwellig aber nicht langweilig sei die Beobachtung und durch Beispiele der Messungen an Pulsaren und Masern verlieh er dieser Einschätzung praktischen Nachdruck. Er verband seinen Vortrag mit einer Einladung, die Besuchsmöglichkeit der Einrichtung zu nutzen und sich selbst einmal vor Ort ein Bild zu machen.
Danach war es an Dr. Jakob Staude als Kurator die Gewinner des Reiff-Preises für Amateur- und Schularbeit zu vergeben. In der Kategorie Projekte von Arbeitsgruppen in Amateurvereinen und Schulen ging der erste Preis an die gemeinschaftliche Astronomie-AG dreier Schulen in Neckargemünd unter Leitung von Dr. Roland Bähr. Der zweite Preis wurde der Astronomie AG des Einstein-Gymnaiums in Neuenhagen bei Berlin unter Leitung von Olaf Hofschutz zugedacht. Der dritte Preis erkennt die Leistungen der Astronomie AG der Pestalozzi-Schule Burgwedel in Zusammenarbeit mit der Sternwarte St. Andreasberg an, beide unter der Leistung von Utz Schmidtko. Der Preis für astronomische Projekte an Grundschulen und Kindergärten geht in diesem Jahr an Heidrun Bioll und Christa Müller, die am Schülerforschungszentrum Südwürttemberg umfassende Materialien für Astronomiestunden in den Klassen 1 und 2 entwickelt haben.
Nach der Mittagspause stand der Reiff-Vortrag auf dem Programm, der die Verbindung zur Profi-Astronomie herstellen soll. Als Referent konnte Dr. Axel Schwope vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam gewonnen werden. „Highlife auf dem Sternenfriedhof“ als Untertitel deutete die Tonalität dieses Vortrags an, denn das Thema kataklysmische Veränderliche war auf hohem fachlichen Niveau angesiedelt und wurde dennoch anschaulich und locker mit viel Sachverstand vermittelt. Nach der Erklärung der vermuteten Natur der zu beobachtetenden Veränderlichen folgte die Herleitung und der Beleg durch Messergebnisse, dass diese Objekte in vielen Spektralbereichen Energie abgeben und der Betrag sich binnen kurzer Frist verändert. Das erfordert damit eine zeitlich gut aufgelöste und möglichst kontinuierliche Beobachtung in verschiedenen Bereichen des Spektrums. Kontinuierlich und zeitlich gut aufgelöst? Hier beginnt zumindest im Bereich des sichtbaren Lichts die Domäne der Amateurastronomen und so wusste Dr. Schope von einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit mit einem Berliner Sternfreund zu berichten. Er rief das Auditorium dazu auf, mit eigenen Beobachtungen zur Erforschung dieser speziellen Klasse von Veränderlichen beizutragen.
Mit Schleierwolken am irdischen Himmel startete Dr. Arndt Latßek seinen Vortrag. Im Grundsatz vergleichbare Dunstschleier findet man auch am Nachthimmel weit außerhalb der Atmosphäre. Der galaktische Zirrus in der Milchstraße oder wie der Referent in seinen weiteren Ausführungen auf historischer Grundlage ausführte die „Hagen’sche Wolken“ sind Schleier aus Gas- und Staub, die im Infraroten und auf tiefen Aufnahmen im Bereich des sichtbaren Lichts zu erkennen sind. Das Leuchten dieser Wolken kommt zum Teil durch die Reflexion des Lichts der Sterne unserer Milchstraße zustande, ein leichter Rot-Exzess deutet aber darauf hin, dass Silizium-Kristalle eine Rolle spielen und die Strahlung zu etwa 30% auch auf Fluoreszenz beruht. Neben den gezeigten aktuellen tief belichteten Aufnahmen verwies der Referent auf Beobachtungen bis zurück zu William Herrschel, der einen Unterschied in der Hintergrundhelligkeit wahrgenommen haben wollte. Die in Herrschels Beobachtungsbuch festgehaltenen Gebiete etwa um M81/82 und im Bereich der Sternbilder Stier und Orion, lassen sicht recht gut mit Strukturen auf aktuellen Bildergebnissen und eigenen Zeichnungen des Referenten in Einklang bringen. Weil den Amateuren seit ein paar Jahren nun Mittel zur Verfügung stehen, diese Schleier knapp über der Helligkeit des Himmelshintergrundes einzufangen und hervorzuheben, rief Dr. Latußek dazu auf, sich mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen.
Die Ergebnisse seiner Arbeit beim Wettbewerb Jugend Forscht stellte Daniel Kuna vor. Am Sternsystem 51 Pegasi b, dem ersten definitiv entdeckten Expoplaneten, versuchte er aus dem Spektrum die Radialgeschwindigkeit des zentralen Sterns anhand der Rot- und Blauverschiebung der H-Alpha-Linie im Spektrum im Zeitverlauf so genau zu bestimmen, dass neben der Periode dieser Schwankung auch der Nachweis des Planeten gelingen würde. Wenn er auch am Ende den Nachweis für den Planeten aus wissenschaftlicher Sicht nicht sicher führen konnte, weil die Fehler der Messung rechnerisch über der Nachweisgrenze lag, so reichten die mit teilweise selbst abgeleiteten Formeln berechneten Ergebnisse eindrucksvoll nahe an den aus der Wissenschaft aktuell als anerkannt bestätigten Werten heran.
Einen Astropeiler der besonderen Art stellte Dr. Peter Kroll anhand eines Prototypen vor , der an der Sternwarte Sonneberg im praktischen Einsatz ist. Eine Stange im Zentrum der begehbaren Peileinrichtung, bei der Sternwarte Sonneberg eine ausgediente 8 Meter hohe Antenne, steht im Zentrum und ist in der Vertikalen mit Peilmarkierungen versehen. Darum herum angeordnet nummerierte Trittplatten. Auf welche der Platten man sich stellen muss, um über die Markierung am Mast etwa die schmale Mondsichel oder Planeten auch am Taghimmel anpeilen und damit auffinden zu können, berechnet eine eigens entwickelten Software im wetterfesten,  direkt am „Sky Pole“ untergebrachten Computer. Die Anwendung ist mittlerweile auch als App für Smartphones verfügbar.
Polarlichter bestimmten den thematischen Abschluss der Tagung. Zunächst erläuterte Dorothee Mester die Natur der Polarlichter, mit der sie sich im Rahmen der Vorbereitung einer Reise nach Lappland auseinandergesetzt hatte. Die Referentin hielt eine Menge Tipps bereit, wo man sich im Internet aktuell über die Sonnenaktivität informieren kann und Polarlichtvorhersagen findet. Mit einem Bild-Grabber wertet sie zudem die Auswirkungen auf der Erde anhand von Live-Webcams in Nordeuropa aus und bringt Vorhersage und tatsächliches Ereignis damit in Einklang.
Mit den Bildergebnissen eines zweiwöchigen Aufenthaltes auf der Inselgruppe der Lofoten griff Ulrich Teschke als letzter Referenz des Tages das Thema Polarlichter in Einzelbildern und animierten Filmen auf. Eindrucksvolle Ergebnisse und Einblicke in deren Entstehung, bildeten einen gelungenen Abschluss dieser BoHeTa.
Hintergrundmaterialien zu den Vorträgen finden sich in Kürze auf der Website der Bochumer Herbsttagung unter www.boheta.de. Als Termin für die BoHeTa 2014 kann man sich schon einmal den 8. November 2014 vormerken.