Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 2. Quartal 2021

5. April 2021 - Sven Melchert

Im 2. Quartal dieses Jahres kommen nur Beobachter in Nord- und Mitteldeutschland in den Genuss der Beobachtung zweier interessanter streifender Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns bereits in einem kleinen bis mittleren Fernrohr zu verfolgen. Beide Streifungen finden am unbeleuchteten Nordrand des Mondes in ausreichendem Abstand zum hellen Mondterminator statt und sind daher relativ leicht zu beobachten. In beiden Fällen ist der Mond zunehmend, weshalb die Beobachtungen in der ersten Nachthälfte bequem zu verfolgen sind.
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ‚GRAZPREP‘ des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter www.grazprep.com heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.

Text und Abbildungen: Eberhard Riedel

Karte mit den Grenzlinien der beiden vorgestellten Streifungsereignisse

Ereignis 1: 15.04.2021

Am späten Abend des 15. April findet das beste Ereignis des Quartals statt. Ab 22:50 Uhr MESZ wird der 4,9 mag helle Stern Omega2 Tauri auf einer Linie von Nordhorn über Rheine, Gütersloh, Bad Driburg, Erfurt und Blankenhain bis nach Falkenstein/Vogtland streifend bedeckt. Der nur zu 11% beleuchtete Mond steht jedoch in den östlichen Landesteilen nur noch 7 Grad über dem Horizont, was dort die Beobachtung etwas erschwert.
Die Abbildung 1a zeigt die scheinbare Sternbahn (blau-weiß-gestrichelte Linie mit Minutenangaben) für die geografische Länge 10° Ost, wie sie bei einer Beobachtung von der vorhergesagten Grenzlinie verläuft. Das Mondrandprofil ist 12-fach überhöht dargestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich ist. Die engste Annäherung zum mittleren Mondrand (weiß gepunktete Linie) findet in nur geringer Entfernung zum Terminator statt. Wegen der Absenkung des Mondterrains wäre von dieser Position keine Sternbedeckung zu verfolgen.
Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz der scheinbaren Sternbahn bei einer Ortsänderung von 500 Metern in nordöstlicher bzw. südwestlicher Richtung senkrecht zur Bewegungsrichtung des Mondschattens.
Die Abbildung 1b zeigt die scheinbare Sternbahn von einer Beobachtungsstation ca. 1.170 Meter südwestlich der vorherigen. Von dieser Stelle kommt es innerhalb von zwei Minuten zu 18 oder sogar mehr Kontakten zwischen Stern und Mondrand (ungefähre Zeiten s. Inset), d. h. der Stern verschwindet 9 Mal nacheinander. Es ist auch erkennbar, warum es sinnvoll ist, soweit von der vorhergesagten Linie auszuweichen, da dann die ersten Kontakte im bequemen Abstand zu den beleuchteten Mondstrukturen stattfinden und so leichter zu beobachten sind.
Aber auch innerhalb des von den roten Grenzlinien gekennzeichneten 1.000 Meter breiten Streifens kommt es zu mehrfachen Bedeckungsereignissen mit jeweils ganz unterschiedlichen Kontaktzeiten.
Einen Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende Beobachtungsposition korrigiert werden muss.
Omega2 Tauri ist ein sehr enger Doppelstern, dessen Verschwinden und Wiedererscheinen am Mondrand jeweils nicht schlagartig erfolgt. Dieses Phänomen ist aber nur bei Aufzeichnungstechniken mit sehr hoher zeitlicher Auflösung feststellbar und visuell nicht erkennbar.

Die scheinbare Sternbahn von Omega 2 Tauri (blau-weiß gestrichelte Linie) bei Beobachtung von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 12-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei ± 500 m

Die scheinbare Sternbahn von Omega 2 Tauri bei einer Beobachtung 1.170 Meter südwestlich der vorhergesagten Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei ± 500 m

Ereignis 2: 17.04.2021

Nur zwei Tage später zieht am späten Abend des 17. April der nördliche Schattenrand des Mondes über Borkum, Edewecht, Nienburg (Weser), Hannover, Lengede, Halberstadt, Halle und Leipzig bis nach Freiberg. Bei einem Beleuchtungsgrad von mittlerweile 26% wird der 7,4 mag helle Stern SAO 77790 gestreift.
Auch in diesem Fall muss man ein ganzes Stück nach Süden ausweichen, damit der Mond mit möglichst vielen unbeleuchteten Strukturen den Stern bedecken kann.
Die Abbildung 2 gibt die ungefähren Kontaktzeiten eines 8-maligen Verschwindens und Wiedererscheinens des Sterns zwischen 22:24 und 22:26 Uhr MESZ wieder.
Die Zeiten gelten für die in der Grafik angegebene geografische Position von von 10° östl. Länge und ändern sich entlang der Streifungslinie.
SAO 77790 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden allerdings bei Sternbedeckungen durch ein zeitversetztes Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns Doppelsterne entdeckt.

Die scheinbare Sternbahn von SAO 77790 bei Beobachtung ca. 1.100 m südwestlich der Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung; rote Begrenzungslinien bei ± 500 m