Lichter zählen für die Wissenschaft

Ein Projekt, an dem auch viele Sternfreunde teilnehmen sollten:

Forschende der Ruhr-Universität Bochum suchen Interessierte, die als Citizen Scientists an ihrem Projekt über Lichtnutzung mitwirken wollen.


Mit einer App zählen Interessierte nachts mehrere Male die Lichter. Foto © Stefanie Partsch


Die meisten von uns schalten das Licht in ihren Zimmern aus, bevor sie ins Bett gehen, aber was ist mit dem Licht außerhalb des Hauses? Dieser Frage gehen Forschende der Ruhr-Universität Bochum im September und Oktober 2023 nach und bitten die Öffentlichkeit um Mithilfe: Mit der App „Nachtlichter“ erheben Bürgerwissenschaftler*innen die Daten. Ziel ist es, zu messen, wie viel Prozent der verschiedenen Lichtarten zu welcher Zeit in der Nacht ausgeschaltet werden. „Das ist für die Wissenschaft nützlich, denn die einzigen weltweiten Satellitenbilder der Erde werden erst sehr spät in der Nacht aufgenommen und geben kein genaues Bild des frühen Abends wieder“, sagt Dr. Christopher Kyba, Projektleiter aus der Arbeitsgruppe Interdisziplinäre Geoinformationswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Interessierte finden alle Infos zum Mitmachen auf der Projektwebseite: https://nachtlicht-buehne.de/nachtlichter.

Daten sollen die Beleuchtung effektiver machen

„Dank einer Nachtlichter-Kampagne im Jahr 2021 haben wir den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Lichter am Boden und der von Satelliten gemessenen Helligkeit besser verstanden“, sagt Christopher Kyba. „Was wir noch nicht wissen, ist, welche Lichter sich wann ausschalten.“

Das Organisationsteam bittet Teilnehmende daher diesmal darum, die Lichter in den Straßen zu zählen, in denen sie wohnen, aber auch in Straßen mit Gewerbebetrieben. Die Citizen Scientists gehen dazu langsam von einer Straßenecke zur nächsten und zählen mit der Nachtlichter-App die Anzahl und Art der Lichter, die sie sehen. Das Projektteam interessiert sich nicht nur für Straßenlaternen, sondern für jede Art von Außenbeleuchtung, einschließlich Schildern, Fenstern, beleuchteten Fassaden und anderen Arten von Lichtern. Vor der Teilnahme absolvieren die Citizen Scientists ein Online-Tutorial, damit gewährleistet ist, dass sie die Lichter einheitlich zählen und kategorisieren. Im Rahmen der diesjährigen Kampagne „Zeit für die Nacht“ steht die Veränderung der Beleuchtung im Mittelpunkt. Um sie zu untersuchen, zählen die Teilnehmenden die Lichter zu zwei oder mehr Zeitpunkten, zwischen denen mindestens eine Stunde liegen sollte.

Ein neuer Aspekt der Datenerhebung ist in diesem Jahr die Messung, wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt der Erhebung auf der Straße aufhalten. Das Projektteam hofft, dass diese Daten den Städten und Unternehmen helfen können, die Beleuchtung effizienter zu nutzen, indem sie die Zeiten, in denen die Beleuchtung eingeschaltet ist, besser auf die Spitzenzeiten der Aktivität abstimmen.

Bürgerforschung als mächtiges Instrument

Die Nachtlichter-App kam schon einmal zu Einsatz: Im Jahr 2021 zählten und klassifizierten mehr als 200 Citizen Scientists in rund 4.500 Erhebungen weltweit fast eine Viertelmillion künstlicher Lichtquellen. Die gleiche Anzahl an Erhebungen will das Projektteam auch 2023 wieder durchführen, diesmal aber an einer kleineren Anzahl einzelner Straßen. Bürgerwissenschaftler Sicco Bauer ist seit Beginn des Projekts dabei. Ihn motivierten seine Erfahrungen als Amateurastronom zur Teilnahme. „Als ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, habe ich gelernt, dass Lichtverschmutzung nicht nur Auswirkungen auf die Astronomie hat. Sie wirkt sich zum Beispiel stark auf die Umwelt aus.“ Bauer hat 2021 eine große Nachtlichter-Aktion in Dresden mitorganisiert und wird dies auch in diesem Jahr tun. „Bürgerwissenschaft ist ein mächtiges Instrument, denn als Forschende können wir nicht überall sein“, sagt Kyba. Er lädt alle Interessierten ein, auf die Straße zu gehen und Lichter zu zählen, und betont, dass jede zusätzliche Erhebung nützliche Daten zum Verständnis der Lichtnutzung liefert.

Förderung

Das Nachtlichter-Projekt ist Teil eines größeren Projekts namens Nachtlicht-BüHNE, das im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2023 – Unser Universum vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und Wissenschaft im Dialog gefördert wird.

Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum:

Kontakt:
Dr. Christopher Kyba
Ruhr-Universität Bochum und Section Remote Sensing and Geoinformatics
Deutsches Geoforschungszentrum
Tel.: +49 331 6264 28973
E-Mail: christopher.kyba@ruhr-uni-bochum.de

Stellungnahme zu Satellitenkonstellationen

Die Vereinigung der Sternfreunde, die Astronomische Gesellschaft und die Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien gehen mit dieser Stellungnahme auf die rasante Zunahme von Satelliten am Nachthimmel ein. Die künstlichen Satelliten bedeuten erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Sternhimmels und die Erforschung unseres Universums.

Da die Satelliten Sonnenlicht reflektieren, leuchten sie so hell wie Sterne und verursachen bei länger belichteten Aufnahmen Strichspuren am Sternhimmel. Bild: Andreas Hänel

Da die Satelliten Sonnenlicht reflektieren, leuchten sie so hell wie Sterne und verursachen bei länger belichteten Aufnahmen Strichspuren am Sternhimmel. Bild: Andreas Hänel

Astronomische Forschungseinrichtungen, Sternwarten und Planetarien haben in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von teils besorgten Anfragen erhalten. Hintergrund sind die Satelliten der vom privaten US-Raumfahrtunternehmen SpaceX seit Mai 2019 massenhaft in mehreren Starts in die Erdumlaufbahn gebrachten Starlink-Satelliten, die in Gruppen über den Himmel ziehen.

SpaceX will mit Starlink eine satellitenbasierte Infrastruktur für Hochgeschwindigkeits-Internetanbindungen weltweit bereitstellen. Hierfür sind im endgültigen Ausbau der Konstellation über 30.000 Satelliten vorgesehen, was die Zahl aller bislang in der Erdumlaufbahn befindlichen Satelliten bei weitem übersteigt. Weitere Unternehmen wie OneWeb, Amazon und andere planen bzw. beginnen teilweise ähnliche Projekte. Auch bei deutschen Unternehmen gibt es entsprechende Planungen, große Zahlen von Mikrosatelliten billig in Erdumlaufbahnen zu starten. Die Astronomie ist sich der Bedeutung der Internetanbindung entlegener Regionen der Erde sowie weiterer technologischer Entwicklungen bewusst. Gleichwohl birgt die Umsetzung über den gewaltigen Zuwachs an künstlichen Satelliten am Himmel auch erhebliche Einschränkungen und Risiken, deren Folgen verantwortungsvoll abgewogen und möglichst reduziert werden müssen.

Für Astronominnen und Astronomen ist der Schutz des Sternhimmels als einzigartigem Kulturerbe der Menschheit ein zentrales Anliegen. Das Erleben dieses Naturwunders ist bereits jetzt in großen Teilen der Erde in höchstem Maße durch ineffiziente und übermäßige künstliche Beleuchtung stark beeinträchtigt. Ein ungetrübter Blick in den Sternhimmel wird durch die Vielzahl an Licht reflektierenden künstlichen Satelliten selbst in bislang von der Lichtverschmutzung weitgehend unbehelligten Regionen der Erde nicht mehr möglich sein. Bereits vor dem Start der ersten Starlink-Satelliten waren am Nachthimmel zahlreiche künstliche Satelliten beobachtbar. Mit zehntausenden zusätzlichen Objekten in der Erdumlaufbahn ist es ein realistisches Szenario, dass am Nachthimmel mehrere tausende über das Firmament ziehende Satelliten die Sternbeobachtung behindern. Ihre Zahl übersteigt dann die der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne.

Dies wird den Nachthimmel, dessen Anblick die Menschheit seit Anbeginn fasziniert und inspiriert, für immer verändern. Zudem wird die Erforschung des Universums für die professionelle und Amateurastronomie erheblich beeinträchtigt. Aufnahmen von Nachtlandschaften und Himmelsobjekten, die seit jeher die Faszination der Astronomie in die Bevölkerung tragen und einen Beitrag zur Allgemeinbildung leisten, sind erheblich betroffen. Die Astronomie bildet die Grundlage für unsere Erforschung und Nutzung des Weltraums. Mit der Entwicklung hochentwickelter Observatorien wurden zahlreiche Fortschritte bei der Erforschung unseres Universums erzielt. Astronomische Beobachtungen mit modernen Teleskopen, die den Himmel durchmustern und in die Tiefen des Weltalls blicken und so unser Verständnis für das Universum fördern, werden aber durch die Vielzahl der Satelliten erheblich gestört. Zu nennen sind insbesondere alle Studien des dynamischen Universums. Bei optischen Teleskopen für empfindliche und häufige Weitwinkelaufnahmen (wie zum Beispiel beim zukünftigen Vera C. Rubin Observatory) wird es genauso Einflüsse geben wie bei der Verfolgung und Überwachung von Kleinkörpern im Sonnensystem, die potentiell auch mit der Erde kollidieren können. Neben der optischen Astronomie werden aber auch die Beobachtungen der Infrarot- und Radiostrahlung aus dem Weltall erheblich beeinträchtigt.

Die Radioastronomie wird ohnehin immer stärker von menschengemachten Signalen gestört, beispielsweise durch das stetig wachsende Mobilfunkaufkommen. Daher errichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Observatorien in sehr abgelegenen Gebieten. Das Problem mit Störungen durch die Vielzahl der zu erwartenden Satelliten ist aber, dass diese rund um den Globus und damit selbst an den entlegensten Orten auf der Erde operieren und es somit auch für die Radioastronomie kein Entkommen gibt. Deutsche Forschende betreiben nicht nur Europas größtes Radioteleskop, das 100-m-Teleskop in Effelsberg nahe Bonn, sondern sie sind auch an einer großen Zahl von modernsten Radioobservatorien in der Welt beteiligt, wie etwa dem Atacama Large Millimeter Array (ALMA) oder dem im Bau befindlichen Square Kilometre Array (SKA) in Australien und Südafrika. Auch diese abgelegenen Standorte werden dann betroffen sein.

Auch für die bemannte und unbemannte Raumfahrt stellt die aktuelle Entwicklung ein Risiko dar, da mit ihr zwangsläufig die Gefahr von Kollisionen steigt.

Die Beeinträchtigung des Nachthimmels wirkt sich weltweit aus, doch die Genehmigung der Starts von Satelliten erfolgt ausschließlich durch nationale Behörden, wie der US-amerikanischen Federal Communications Commission. Wir bringen hiermit unsere Besorgnis darüber zum Ausdruck und rufen dazu auf, durch internationale Vereinbarungen beim zukünftigen Ausbau von Satellitenkonstellationen den Schutz des Nachthimmels über das gesamte elektromagnetische Spektrum als menschliches Kulturgut und Forschungsobjekt zu gewährleisten.

Weitere Informationen:

Initiative gegen Lichtverschmutzung: http://www.licht-verschmutzung.de

Kontakt:

Prof. Dr. Michael Kramer
Präsident der Astronomischen Gesellschaft
Tel.: +49 / (0) 228 / 525-278
E-Mail: praesident@astronomische-gesellschaft.de

Dr. Andreas Hänel
Fachgruppe Dark Sky der Vereinigung der Sternfreunde
Kommission Lichtverschmutzung der Astronomischen Gesellschaft
Tel. +49 / (0) 176 45898775
E-Mail: ahaenel@uos.de

Die Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS)
Die Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) ist mit über 4000 Mitgliedern der größte Verein von Amateurastronomen im deutschsprachigen Raum. Sie widmet sich der Pflege und Förderung der Amateurastronomie durch Beratung und Erfahrungsaustausch bei der astronomischen Arbeit. Zudem fördert sie Kontakte zur Fachastronomie und die astronomische Volksbildung, etwa mit der Organisation des jährlich stattfindenden Astronomietags.
www.sternfreunde.de

Die Astronomische Gesellschaft (AG)
Die 1863 gegründete Astronomische Gesellschaft (AG) ist der Fachverband der deutschen Astronomie und Astrophysik. Die AG fördert Aktivitäten in Wissenschaft und Forschung, stärkt den Austausch zwischen ihren Mitgliedern, vermittelt Wissenschaft in die Öffentlichkeit und fördert die Bildung. Auf internationaler Ebene vertritt die AG die gemeinsamen Interessen der Astronominnen und Astronomen in der European Astronomical Society (EAS) und in der International Astronomical Union (IAU).
www.astronomische-gesellschaft.de

Die Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien e.V. (GDP)
Die Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien e.V. (GDP) wurde 2011 gegründet und ist die Interessenvertretung der deutschsprachigen Planetarien mit jährlich rund 2 Millionen Besuchern.
www.gdp-planetarium.org